Der Orlen Warschau war in mehrfacher Hinsicht für mich sehr besonders: Fast schon sentimental war ich, als ich durch viele Ecken der polnischen Hauptstadt gelaufen bin, die ich von früher gut kannte. Und sehr froh hat es mich zudem gemacht, das polnische Team der ASICS FrontRunner kennenzulernen, das mich am Marathon-Wochenende gewissermaßen adoptiert hat.

In der Vorbereitung auf mein großes Abenteuer, THE TRACK, bei dem ich in Kürze 520 Kilometer durchs australische Outback laufen werde (selbst versorgt, also mit großem Rucksack auf dem Rücken), standen für mich zuletzt einige Wettkämpfe als lange Trainingsläufe auf dem Programm: Der Marathon in Barcelona, der 6-Stunden-Lauf in Nürnberg, der Marathon in Rom – und nun, eine Woche nach meinem Start am Forum Romanum und dem Zieleinlauf am Kolosseum, ging es für mich am Nationalstadion in der Hauptstadt Polens an den Start.

Vor langer Zeit, 2000/2001, habe ich ein Jahr in Warschau gelebt, habe damals in polnischen Archiven für meine Doktorarbeit recherchiert. Diese Zeit habe ich in extrem guter Erinnerung, außerdem zieht es mich seitdem immer, immer wieder hierher. Aber einen Wettkampf bin ich hier noch nie gelaufen, mehr als dankbar war ich also für diese Gelegenheit.

Bei der Landung am Samstagmorgen begrüßt mich Schneeregen – gar nicht so mein Laufwetter… frierend und müde schleppe ich mich zum Hotel, bin dankbar für ein schon frühzeitig fertiges Zimmer und lege mich erst mal ins Bett. Nach einem Mittagessen in dem Café, in dem ich schon vor fast zwanzig Jahren immer gerne gegessen habe, fahre ich zum Stadion, wo ich nach der Startnummernausgabe mit einigen Mitgliedern des polnischen Teams verabredet bin.

Es ist wunderbar und wieder einmal bin ich froh und dankbar, Teil eines solchen internationalen Teams zu sein. Plötzlich habe ich hier Lauffreunde, wir machen Fotos, lachen, haben Spaß. Unsere private Pastaparty findet in einer Pizzeria statt, angestrengt versuche ich, mit meinem leider in den vergangenen Jahren sehr viel schlechter gewordenen Polnisch den aufgeregten Vor-Wettkampf-Gesprächen zu folgen, und bin dankbar dafür, immer mal wieder eine englische Zusammenfassung zu bekommen. Es ist ein schöner Abend, wir verabreden uns für ein Foto am Wettkampf-Tag, und ich fahre zurück ins Hotel.

Sechs Grad, aber immerhin strahlender Sonnenschein, begrüßt mich am nächsten Morgen. Ein Glück, Sonne statt Schneeregen, damit kann ich umgehen! Die nach langem Hin und Her getroffene Entscheidung, in kurzer Hose zu laufen, erweist sich als richtig. Die Sonne brennt teilweise so vom Himmel, dass ich tagelang einen Strich auf der Stirn habe: da hatte ich das Stirnband…

Die Stimmung beim Start ist gut und entspannt, die Organisation top. Nach diversen Warnungen meiner polnischen Kolleginnen am Vortag über die nicht vorhandene Begeisterung der Warschauer bzw. allgemein der polnischen Bevölkerung angesichts derartiger Laufevents bin ich von der Stimmung an der Strecke positiv überrascht. Zwar gibt es nicht viele Zuschauer, aber vor allem später in der Altstadt wird es voller und wir werden angefeuert. Und das ist nach Kilometer 32 und da haben wir es schließlich auch nötig.

Am Ende laufe ich nach ganz knapp über vier Stunden neben dem Stadion ins Ziel ein, bin happy, endlich einmal die 42,195 Kilometer in meinem geliebten Warschau gelaufen zu sein. An vielen sehr vertrauten Ecken ging es vorbei, aber wir sind auch durch Stadtteile gelaufen, die ich noch gar nicht gut kannte, vor allem in Praga, dem Stadtteil östlich der Weichsel. Das war ein feiner langer Lauf auf meinem Weg nach Australien.

(Fotomaraton.pl)

erstellt von
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Andrea Löw

Historikerin von München

Altersklasse: W 50

Meine Disziplinen
Traillaufen Ultratrail Yoga / Pilates Marathon Ultramarathon

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